Gleichgewicht und die Vorzüge des Slacklinens

Das Slacklinen bringt nicht nur einen umfassenden Trainingseffekt und Spaß in Gesellschaft mit sich, sondern man erlernt und übt auch unzählige Fähigkeiten für den Alltag ein. Durch regelmäßiges Praktizieren erwirbt man sich ein Bewusstsein über technische, physische und mentale Fähigkeiten und lernt diese in anderen Bereichen des Lebens einzusetzen – das ist es auch, was in unseren Workshops vertieft wird.

Richtig spannend wird es, wenn die ersten Schritte auf dem Band getan sind, also das grundlegende Gehen beherrscht wird. Dann können wir beginnen uns den mentalen Fähigkeiten zu widmen.

Balansa Slackline Balance Skills and Benefits, balance training for everyone

Die Fähigkeiten des Körpers

Bewusstes Wahrnehmen des ganzen Körpers – Propriozeption

Zweifellos erhöht das Slacklinen die Wahrnehmung unseres eigenen Körpers. Zusätzlich zu den fünf Sinnen, verfügen wir über sensorische Vermögen, die Gehörtes, Gesehenes und Gespürtes zu einem umfassenden Ganzen verbinden. Auch wenn wir diese Wahrnehmungen nicht bewusst machen, nutzen und verlassen wir uns jederzeit auf das alltägliche Funktionieren unseres Körpers.

Die Wahrnehmung des eigenen Körpers und die damit verbundene Orientierung im Raum wird Propriozeption genannt. Ohne sie könnten wir weder gehen noch Rad fahren. Ebenso wüssten wir nicht wieviel Kraft wir aufwenden müssten, um ein Glas zu halten, ohne es fallen zu lassen. Und mit geschlossenen Augen wären wir nicht fähig unsere Nase zu berühren, weil wir kaum im Stande wären sie zu finden.

Schwierigkeiten mit der Propriozeption kommen oft nach Verletzungen, im Rauschzustand oder bei Menschen höheren Alters vor.

Das Slacklinen Hilft uns die Propriozeption zu verbessern, weil wir uns bewusst werden müssen, wo unser Schwerpunkt ist, in welcher Position sich unsere Gliedmaße befinden, wie der Druck durch unsere Füße ausgeübt wird, wie schnell wir uns bewegen und wie sich Kräfte der Trägheit verhalten. Beim Lernen neuer Fähigkeiten ist es wichtig, auf unseren Körper zu hören – wir können uns des Unbewussten bewusst werden.

Um unsere Propriozeption zu trainieren, zentrieren wir unseren Blick gerade von unserem Körper aus nach vorn – nicht auf unsere Füße. Mit etwas Übung erreicht man eine klare Vorstellung von der eigenen Position in Bezug auf die Line und den Raum, in dem wir uns bewegen. Für eine noch größere Herausforderung, kann man versuchen die Augen zu schließen.

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Gleichgewicht

Slacklinen ist wie das Gehen auf einer dünnen Linie, zwischen einer stabilen und einer labilen Position (in etwa wie ein Ball auf einem Runddach). Es braucht dynamisches Gleichgewicht, weil wir auf einer wackligen Linie versuchen unsere Position zu stabilisieren, während wir uns bewegen. Auch wenn wir es schaffen völlige Stabilität zu finden, könnten wir sie schon im nächsten Moment wieder verlieren. Wenn man mit dieser Unsicherheit umzugehen lernt, stürzt man nicht mehr so leicht.

balansa slackline balance training for kids

Nichts ist stetig im Gleichgewicht, auch nicht das Leben. Wenn wir uns das bewusst machen, werfen uns unerwartete Ereignisse nicht mehr so leicht aus der Bahn.

Das gehen auf einer Slckline repräsentiert das Unbekannte außerhalb unserer Komfortzone. Wenn wir versuchen im Gleichgewicht zu verweilen, werden unser Geist und Körper herausgefordert, denn sie bevorzugen es in ihnen bekannten Situationen zu verweilen. Wenn wir durchhalten und das Gleichgewicht auf der wackeligen Line beibehalten, brechen wir durch eine Wand und schaffen mehr als wir glaubten zu können. Das Vertrauen zu sich selbst ist nicht nur beim Slacklinen, sondern auch in vielen Situationen des Lebens von zentraler Wichtigkeit.

Das GLEICHGEWICHT hängt von der REAKTIONSFÄHIGKEIT (Geschwindigkeit des Wahrnehmens + Reagierens) und von MOTORISCHEN FÄHIGKEITEN ab.

Balansa Slackline balance diagram. How to balance a slackline?

Wir verfügen über das stabilste Gleichgewicht, wenn wir es schaffen so zu gehen, dass sich unser Schwerpunkt entlang der grünen Linie auf der obigen Darstellung bewegt. Der Schlüssel zur grünen Kurve ist die Fähigkeit, auch in einer schwierigen Position unter Verlust unseres Gleichgewichts zu bestehen und schnelle Bewegungen, als Reaktionen auf unsere Fehler, zu vermeiden.

Reaktionsfähigkeit

Beim Slacklinen spielt Reaktionsfähigkeit eine zentrale Rolle beim finden des Gleichgewichts. Sie spielt in allen Sportarten eine Rolle. Ihr Fehlen zeigt sich beispielsweise bei älteren Personen, wenn der Körper an Reaktionsfreudigkeit verliert und das Gehen auf glatten Oberflächen zur Gefahr wird.

Aufgrund des schnellen Schwankens der Slackline trainieren wir viele Muskelgruppen, während wir in einer stabilen Position verharren. Dabei wird eine Vielzahl neuronaler Verbindungen – kollektiv als motorische Einheiten bezeichnet – aktiv. Sie bestehen aus einem Motoneuron und Fasern der Skelettmuskeln, welche von Neuronen innerviert sind. Wenn wir zu lernen beginnen, auf einer Slackline zu gehen, nutzen wir erst wenige solcher motorischen Einheiten, weil wir sie erst entwickeln müssen. Sobald wir im Stande sind länger auf der Slackline zu verharren und indem wir Bewegungen wiederholen, entwickeln wir die fehlenden Einheiten immer schneller. Zuerst wissen wir aber noch nicht genau, wie wir die motorischen Einheiten effektiv anwenden. Deshalb sieht das Finden des Gleichgewichts oft etwas merkwürdig aus. Neuronale Netzwerke des Gehirns sind wie ein motorisches Programm, das Fehler durch Übung selbst beseitigt. Das Gehirn beginnt von selbst die nötigen motorischen Einheiten einzusetzen, um das Gleichgewicht so schnell wie möglich wiederzufinden. Schließlich beginnt unser Körper immer effizienter zu reagieren und das nicht nur beim Sport, sondern auch in alltäglichen Situationen.

Motorische Fähigkeiten

Beim Lernen neuer Fähigkeiten ist es das Ziel von bewussten Handlungen zu unbewussten oder automatischen Reaktionen zu schreiten. Dies erlaubt es uns die nötigen Bewegungen zu vollführen, ohne daran aktiv denken zu müssen. Gelingt dies, so wird unser Gang immer ruhiger.

Bei der Suche nach Gleichgewicht rudern Neulinge wild mit ihren Armen, wohingegen Profis mit dezenten Bewegungen ihr Gleichgewicht stabilisieren. Der größte Unterschied zwischen ihnen liegt darin, dass es durch Können möglich wird viel schneller wahrzunehmen und mit minimalen Bewegungen zu reagieren. Gekonnte Bewegungen sind schließlich sehr präzise und genau so groß oder klein, wie sie in jedem Moment sein sollen.

Stabilisation und Stärkung der Rumpfmuskulatur

Gleich nach unseren ersten Versuchen auf eine Line zu gehen merken wir schnell, dass starke Füße und Rumpfmuskulatur alleine nicht genug sind, um das Zittern unserer Beine und der Line zu verhindern. Wir müssen feinere Muskelgruppen aktivieren und unseren Körper zu einem passenden Grad entspannen, um die Slackline das erste Mal zu stabilisieren.

Idealerweise verfestigen wir während wir auf der Slackline gehen unsere Rumpfmuskulatur und Beine, entspannen aber unsere Arme. Auch bei Kleinkindern ist die Festigung des Rumpfes eine Voraussetzung für das Gehen und das Erlernen weiterer Bewegungen. Ohne könnten wir Bewegungen nicht effizient ausführen. Deshalb müssen wir jene Muskeln verwenden, die dafür zuständig sind, den Rumpf zu stabilisieren: multifidale Muskeln des Rückens, Beckenmuskulatur etc. Oder in anders gesagt: alle Muskeln, die nötig sind, um den Rumpf zu stabilisieren.

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Um das wackeln der Slackline in den Griff zu bekommen, müssen wir auch unsere Füße und Knöchel in den lateralen Richtungen stabilisieren (eine starke Oberschenkelmuskulatur sorgt für die weniger problematische vorwärts und rückwärts Bewegung). Die schwächste Muskulatur ist für gewöhnlich die laterale Muskulatur unserer Beine und unseres Rumpfes, weil wir sie beim Bewegen auf flachen Untergründen kaum verwenden. Aber wir können in unter einer Stunde Übung erlernen, sie zu aktivieren.

Nach einer ordentlichen Slackline-Session spüren wir Ermüdung in unserem gesamten Körper, da dabei so gut wie alle Muskeln verwendet werden. Vor allem bei niedrigen Temperaturen (-10°C) wird es offensichtlich wie schwer der Körper arbeitet; auch wenn beim Slacklinen keine großen Bewegungen ausgeführt werden, wird bei niedrigen Temperaturen meist nicht mehr als ein dünner Pullover getragen.

Atmung

Ein zentraler Bestandteil erfolgreichen Slacklinens ist die richtige Atmung. Um über längere Zeit hinweg den Fokus aufrechterhalten zu können, müssen wir ausgewogen Atmen – damit halten wir nicht nur unseren Körper, sondern auch unseren Geist im Gleichgewicht.

Das Atmen beansprucht bewusste sowie unbewusste Prozesse im Körper. Wenn wir uns auf die Atmung konzentrieren, hilft das unsere wandernden Gedanken zu beruhigen. Das gleiche gilt für das Slacklinen.

Wenn wir unsere Gedanken auf eine entspannte und ununterbrochene Atmung konzentrieren, beruhigt sich unser Körper wie von selbst. Um die wackelige Line zu kontrollieren, müssen wir genau in diesem Zustand sein. Unser Körper kann nicht ausreichend entspannt sein, wenn unsere Atmung unregelmäßig ist oder gar stockt, während wir versuchen unsere Balance zu finden.

Die Konzentration auf unsere Atmung zu fokussieren hilft auch unnötige Gedanken von unserem Verstand fernzuhalten, die uns sonst am Gehen hindern könnten.

Balansa Slackline breathing technique
Das Gleichgewichtsspiel

Beim Slacklinen spielst du ein interessantes Gleichgewichtsspiel mit dir selbst – du bist dein eigener Kontrahent. Einerseits wollen dir deine Gedanken Anweisungen geben, andererseits flüstert dir deine Intuition ins Ohr. Meist denken wir zu viel, anstatt auf unsere Intuition zu hören – und meist ist es auch letzteres, das uns in die richtige Richtung weist.

Zum Beispiel können wir mit unseren Gesichtsmuskeln, also mit einem Lächeln, eine sehr effektive Reaktion in unserem Gehirn auslösen. Lächeln hilft uns schwierigen Situationen eine gewisse Leichtigkeit zu verleihen und sie in ein Spiel zu verwandeln.

Sich einer Herausforderung entspannt zu stellen, ermöglicht es, in einen tiefen Zustand des Fokus zu gelangen, anstatt krampfhafter Konzentration. Diese Art des Fokus ermöglicht uns auch den Flow-Zustand zu erreichen, der weiter unten beschrieben wird.

Rehabilitation und präventive Maßnahmen, um Gelenksverletzungen vorzubeugen

Unter anderem ist das Slacklinen bestens dafür geeignet Bänder im Bereich der Knie, Knöchel und Hüften zu stärken. Es kann auch für verschiedene sensomotorische Praktiken angewendet werden. Physiotherapeut*innen und Kinesiolog*innen verwenden die Slackline, um Gelenke, Propriozeption und Muskelkraft zu stärken.

Aufgrund des Wackelns beansprucht die Slackline verschiedenste Muskelgruppen, was effektive Rehabilitation fördert. Weil dabei unser Körper viele kleine und schnelle Bewegungen macht, ist das Gewicht auf die Gelenke gleichmäßig verteilt. Dies stärkt neben unseren Bändern auch noch unsere Haltung.

Eine Beispielübung auf unserem hölzernen Slackline-Gestell – dem Balansa Woodie: mehr  >>>

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Mentale Fähigkeiten

Wenn wir über ausgeprägte motorische Fähigkeiten verfügen, können wir grundlegende Technik für das Gehen auf der Slackline in wenigen Minuten bis zu einer Stunde erlernen. Ansonsten können Grundlagen, unter hilfreicher Anleitung, innerhalb von zwei Stunden begriffen werden. Nachdem das geschafft ist, können wir uns den mentalen Aspekten dieses Sports widmen, die uns oft davon abhalten ruhig und stetig auf der Slackline zu gehen. Indem wir diese Fähigkeiten in Angriff nehmen, erwerben wir auch eine bessere Propriozeption, Kontrolle über unseren Verstand, Gefühle und Intuition. Wir erfahren unsere versteckten Potentiale und können sodann auch beginnen, sie in anderen Bereichen unseres Lebens anzuwenden.

Durch das Training auf der Slackline verbessern wir auch die Nutzung unserer unbewussten Signale und Gefühle. Wir lernen wie wir sie in unser Bewusstsein bringen können. Unbewusste Informationen gelangen ca. 300ms vor bewussten Informationen in unser Gehirn („Bereitschaftspotential“, Hans Helmut Kornhuber und Lüder Deecke, 1964). Wir erlangen das Gleichgewicht viel schneller, wenn wir anstatt zu unseren rationalen Überlegungen, eine direkte Verbindung zu unseren Wahrnehmungen etablieren. Wir lernen so die Zeitspanne zu überbrücken, die es braucht, um eine etwas wahrzunehmen und darauf zu reagieren. Wenn wir es schaffen für längere Zeitspannen unseren Fokus aufrecht zu erhalten, stärken wir damit die „Muskeln“ unseres Gehirns, entwickeln neue Synapsen und erhöhen seine Plastizität bzw. Anpassungsfähigkeit.

Aus diesem Prozess erwachsen viele verschiedene kognitive Fähigkeiten so wie Kreativität und Einfallsreichtum.

Durchhaltevermögen, Zielstrebigkeit, Geduld

Die ersten beiden Attribute bezeichnen wohl die wichtigsten mentalen Fähigkeiten, die es zum Slacklinen braucht. Ohne sie könnten wir keine Fortschritte machen – nicht auf der Slackline und auch nicht in anderen Bereichen unseres Lebens.

Wie oft denken wir über die Bedeutung unserer Taten nach? Warum tun wir, was wir tun? Was liegt auf der anderen Seite?

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Um auch nur einen Schritt auf einer instabilen Oberfläche zu wagen braucht es Mumm. Für viele Menschen ist es schwierig, die ihnen bekannten Umwelten zu verlassen und sich außerhalb ihrer Komfortzone zu bewegen. Solltest du jemals auf eine Highline steigen, wirst du eine sehr schwierige Herausforderung erleben. Es wird dich jegliche Entschlossenheit kosten von einer sicheren Sitzposition aufzustehen und dich ins Unbekannte zu begeben. Die Suche nach Gleichgewicht wird noch intensiver: die immense Höhe und offenliegende Landschaft in der Tiefe erschweren die Suche nach Stabilität.

Für eine lange Slackline benötigen wir entsprechend mehr Geduld: wir müssen darauf warten, dass die wellenartige Bewegung der Line verebbt und erst dann können wir beginnen zu gehen. Wenn wir gestresst sind oder uns bedroht fühlen, wollen wir dieses Gefühl möglichst bald loswerden. Ein Rückzug aus einer solchen Situation erscheint nur als kurzfristige Lösung, wir müssen uns ihr früher oder später stellen. Wenn wir das tun, also in einer schwierigen Situation bestehen, halten wir auch anderen Herausforderungen stand. Das bringt viele Vorteile: in Aufgaben des Alltags, in kritischen Momenten während professioneller Wettkämpfe, oder auch für Menschen mit Verletzungen des Gehirns.

Im Hier und Jetzt

Wenn wir unseren Verstand nicht zügeln, entwischt er unserer Kontrolle, so dass er unentwegt Sachverhalte analysiert und mit unserer Zukunft oder Vergangenheit verbindet. Von Zeit zu Zeit erwischen wir uns selbst, wie wir darüber nachdenken, was bei dem morgigen Treffen geschehen wird, obwohl wir uns in diesem Moment mitten in einem Gespräch befinden. Unser Verstand verhindert damit, dass wir vollkommen im gegenwärtigen Moment präsent sein können.

Nur das Jetzt!

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Die Suche nach dem Gleichgewicht zwingt uns im Jetzt zu verweilen, schaffen wir das nicht, fallen wir bald wieder von der Slackline. Oft merken wir erst im Moment des Sturzes, dass wir gerade noch über ganz andere Dinge nachgedacht haben. Wenn wir versuchen konzentriert zu bleiben, trainieren wir unseren Verstand sich zu fokussieren, bei der Aufgabe zu bleiben, die jetzt gerade vor uns liegt.

Konzentration – Fokus

Im Alltag werden wir unentwegt mit Informationen konfrontiert. Deswegen ist es wichtig, dass wir unsere Aufmerksamkeit auf jene Dinge legen, die uns wichtig sind.

Am Limit unserer Fähigkeiten zu Slacklinen bedeutet auch, dass wir keine der Tätigkeit fremden Gedanken zulassen dürfen.

Das ist der Fall, wenn wir uns darauf fokussieren, wie sich unser Gravitationszentrum bewegt, wenn unsere Haltung fest und aufrecht ist, wenn unsere Arme geschmeidig sind, unser Blick direkt vor uns gerichtet, unsere Atmung stetig und beruhigt und unsere Knie leicht gebeugt – und wir uns nicht ablenken lassen. Denn sobald wir nur für einen Moment über das Abendessen nachdenken, uns beobachtende Menschen bemerken, einen hübschen Hund hinter einem Baum beim Spielen beobachten, oder uns über die momentane Leistung freuen … dann, ja dann befinden wir uns wahrscheinlich gleich wieder am Boden.

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Wie bleibt man fokussiert?

Wir müssen lernen unsere Gedanken zu wahrzunehmen und zu kontrollieren.

Am leichtesten geht das, wenn wir uns bei einer Tätigkeit ausschließlich auf jene Elemente konzentrieren, die uns helfen die aktuell gestellte Aufgabe zu bewältigen. Wir versuchen uns jeden Moment auf die verschiedenen propriozeptiven Signale und die Atmung unseres Körpers zu konzentrieren. Wenn uns das gelingt, wird das „Arbeitsgedächtnis“ unseres Gehirns ausschließlich damit beschäftig sein, die auf uns wirkenden Signale zu verarbeiten und wird sich davon nicht ablenken lassen. Wenn wir dann eine Ablenkung bemerken, akzeptieren wir sie einfach. Wir schenken ihr aber kein Gewicht und verschwenden keinen weiteren Gedanken an sie. Wir lenken unsere Gedanken lieber weiter auf die Schlüsselaspekte unserer Aufgabe.

Sich einer Herausforderung entspannt zu stellen, ermöglicht es, in einen tiefen Zustand des Fokus zu gelangen, anstatt krampfhafter Konzentration. Diese Art des Fokus ermöglicht uns auch den Zustand des Flows zu erreichen, der weiter unten beschrieben wird.

Der Tunnelblick

Wenn wir auf einer Slackline gehen fixieren wir unseren Blick auf einen direkt vor uns befindlichen, gut sichtbaren Punkt. Für gewöhnlich ist das eine Stelle an jenem Baum, an dem unsere Slackline angebracht ist. Wenn wir das über einen längeren Zeitraum hinweg schaffen und uns auf die Schlüsselaspekte unserer Tätigkeit fokussieren, kann es passieren, dass unsere periphere Wahrnehmung verschwimmt. Es scheint fast so, als ob wir in einem Tunnel wären und das Halten unseres Gleichgewichts wird einfacher, weil wir stark in das Slacklinen vertieft sind.

Visualisierung

Es ist bewiesen, dass unsere Gedanken, ob sie nun positiv oder negativ sind, Einfluss auf unseren Körper üben. Visualisierung oder die Fähigkeit ein mentales Bild zu bilden funktioniert ähnlich. In zahlreichen Experimenten wurde das tatsächliche Heben von Gewichten mit dem imaginären Heben von Gewichten verglichen. Die Resultate zeigten, dass alleine das Denken an eine Übung bis zu 60% der Effektivität der tatsächlichen physischen Übung erreichen kann. Das sind außergewöhnliche Resultate, von denen Top-Athlet*innen sowie auch erfolgreiche Geschäftsleute zu profitieren wissen.

Improve performance by visualizing your goal!

Für uns bedeutet das: Wenn wir uns ausreichend genau vorstellen können, was wir erreichen wollen (und nicht notwendigerweise wie wir das tun wollen, denn das wissen wir oft nicht genau), wird unser Körper unbewusst auf eine Weise reagieren, die uns helfen wird, unser Ziel zu erreichen. Absolute Kontrolle beim Gehen oder das Umdrehen auf einer Line, sind Manöver, die rational nur schwer zu begreifen sind. Mit einer guten Visualisierung eines Zwischen- oder Endresultates hingegen, können wir viel schneller Fortschritte machen.

Flow

Der Flow ist, wie es Mihaly Csikszentmihalyi 1990 definiert hat, ein psychophysischer Zustand optimalen Erfahrens. Wenn wir vollständig in unsere Tätigkeit vertieft sind, dabei unsere Wahrnehmung von Raum und Zeit in den Hintergrund tritt und wir das, was wir gerade tun körperlich als auch geistig viel intensiver erleben als sonst.

Wenn wir diesen Zustand erreichen, „in the Zone“ sind, tritt auch unser Ego und unsere Begrenzungen in den Hintergrund. Wir haben plötzlich klare Ziele und völlige Kontrolle über die Tätigkeit, der wir nachgehen. Das geschieht oft, wenn wir eine neue Fähigkeit erlernen und uns dabei gut fühlen, dann wollen wir länger in diesem Zustand verbleiben und weiter machen.

Das Slacklinen ist eine hervorragende Tätigkeit um den Zustand des Flows zu erfahren. Um auf einem wackeligen Band zu gehen, müssen dafür die ersten vier Punkte der folgenden Liste erfüllt sein.

Die 8 Aspekte des Flows:

  1. Wir müssen in jedem Moment wissen, was wir wollen und was der nächste Schritt dorthin ist. Das ist beim Slacklinen sehr klar: wir wollen unser Gleichgewicht finden und den nächsten Schritt setzen.
  2. Die Slackline gibt uns unmittelbares Feedback darüber, wie gut wir uns dabei schlagen und ob wir zu dem gewünschten Resultat kommen. Das wackeln der Line und die zurückgelegte Länge zeigen uns das erbarmungslos.
  3. Die Schwierigkeit unserer Aktivität muss nahe an unserem persönlichen Limit sein (siehe Diagramm unten). Wir errichten eine Slackline von solcher Länge und Spannung, dass wir sie gerade noch in einem Stück bewältigen können. Oder wenn wir uns eine noch größere Herausforderung stellen wollen, bauen wir eine Line die uns zu schwer ist und trainieren auf bestimmten Abschnitte davon.
  4. Vollständige Konzentration auf ein Ziel allein: ein ersehntes Resultat oder der nächste Schritt. Sobald wir uns für längere Zeit völlig auf eine Tätigkeit fokussieren, vertiefen wir uns mehr und mehr in sie und werden zunehmend effizienter. Um einen beständigen Fokus zu erreichen, müssen wir uns beruhigen und wissen, wie wir Ablenkungen abwenden können. Das Team von Balansa nennt den Zustand höchsten Fokus auch „tunnel vision“, weil es in ihm so scheint, als ob man sich in einem Tunnel der Aufmerksamkeit befände und alles andere unscharf wird.
  5. Die Erfahrung des Tunnels wird zu einer neuen Realität. Zuerst werden wir ihrer nur gewahr, wenn uns eine Ablenkung aus dem Flow reißt. Wenn wir geübter werden, werden wir uns des Zustandes in Echtzeit bewusst und können diesen Zustand bewusst verlängern (siehe unten: Kapitel Meditation). Csikszentmihalyi beschreibt es auch als eine Flucht nach vorne, wobei das Gegenteil die Flucht zurück in unsere Gewohnheiten bedeutet, beispielsweise beim Drogenmissbrauch. Wenn wir nach vorne flüchten, erreichen wir Transzendenz und persönliche Evolution und erzeugen den erwünschten Zustand aus eigener Befähigung und Kreativität, nicht mit der Hilfe anderer Substanzen. Der Flow bedeutet nicht Rückzug von der Realität, sondern den Weg mitten in die Realität hinein.
  6. Wir erlangen umfassende Kontrolle über die Situation (die Schwierigkeit der Aufgabe entspricht genau unserem Können) und vergegenwärtigen, dass wir ebenso Kontrolle über unser eigenes Leben erlangen. Wenn wir diesen Zustand erreichen, wird das Slacklinen plötzlich ganz einfach, selbst wenn wir es nicht schaffen die Line völlig zu beruhigen.
  7. Wir lassen los und transzendieren unser Ego. Wir kümmern uns nicht mehr darum, was andere über uns denken und werden uns der Transzendenz bewusst. Sobald das Hochgefühl abflaut, fühlen wir uns von der neuen Erfahrung belebt und fühlen uns durchweg zufrieden.
  8. Unsere Wahrnehmung der Zeit verändert sich. Du warst sicher schon einmal so sehr in eine Tätigkeit vertieft gewesen, dass du völlig auf die Zeit vergessen hast. Wahrscheinlich warst du im Flow!

Weil wir die ersten drei Aspekte auf einer Slackline leicht erlernen können und den vierten Aspekt gut trainieren können, ist das Slacklinen der ideale Weg sich mit den Prinzipien des Flows vertraut zu machen.

Für gewöhnlich ist es leichter den Flow aufrechtzuerhalten, als ihn wiederzuerlangen. Wir können diesen Zustand auf kurzen sowie auf langen Lines erreichen, egal ob wir Anfänger*innen oder fortgeschritten sind. Es gelingt aber auf längeren Lines leichter, da sie von uns längere Zeitspannen der Konzentration abverlangen. Außerdem eröffnen uns zusätzliche Fähigkeiten auch zusätzliche Herausforderungen und somit auch zusätzliche Möglichkeiten in den Flow zu kommen (siehe Diagramm unten).

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Hast du dich jemals gefragt wieviel deines Tages du im Zustand des Flows verbringst?

Auf der Basis von 10.000 Interviews fand Csikszentmihalyi heraus, dass der Flow nicht einfach reines Vergnügen ist, das wir bei augenblicklicher Belohnung verspüren, wie in etwa beim Computer spielen. Das Flow-Erleben verändert uns nachhaltig. Laut Csikszentmihalyi bewirkt er Evolution, weil er uns hilft neue Lösungen für existierende Probleme zu finden.

Weil Kinder mehr Spielen, verbringen sie auch mehr Zeit im Flow-Zustand als Erwachsene. Nichtsdestotrotz gibt es aber auch ältere Personen mit großer Willenskraft, die daran interessiert sind neue Herausforderungen anzugehen.

Wenn wir verstehen, wie Flow funktioniert (auf der Slackline oder anderswo), wie wir uns in diesen Zustand versetzen können, dann steht es uns frei, dieses Wissen in unseren Alltag zu integrieren.

Ein guter Ansatz, auf der Slackline in den Flow-Zustand zu gelangen ist es, nie stehen zu bleiben. Weiter und weiter zu schreiten, auch wenn es schwerfällt und wir die Line nicht beruhigen können – dann verlangsamen wir unsere Bewegungen situationsbedingt.

Zusammengefasst aus Flow: The Psychology of Optimal Experience, von Mihaly Csikszentmihalyi, 1990.

https://www.ted.com/talks/mihaly_csikszentmihalyi_on_flow?language=en

http://www.youtube.com/watch?v=Tp9qbhferaU

Kontrolle des Verstandes und Meditation

Der Flow-Zustand ähnelt dem Zustand tiefer Meditation. Da uns auch das Balancieren in einen solchen Zustand zu bringen vermag, ist es für einige Menschen leichter durch das Slacklinen in den gewünschten Zustand zu finden, als durch Meditation selbst.

Beide Methoden führen zum selben positiven Ergebnis: wir fokussieren unseren Verstand und treten in einen Zustand gesteigerten Bewusstseins und Transzendenz. Unsere Gedanken verstummen, die Dinge werde klarer und wir fühlen uns verbunden mit uns selbst und den Menschen in unserer Umgebung. Wir fühlen uns gut und haben Kontrolle über unser Leben. Wir überkommen das Selbst und unsere Probleme, es fällt uns leichter Lösungen zu finden.


Achtsamkeit (bewusst im Körper)

Achtsamkeit ist eine Art der Meditation oder Haltung mit direkter Verbindung zu unserem Gleichgewicht. Sie lehrt uns im Moment zu sein und ihn vollkommen auszukosten. Wer Achtsamkeit übt, lernt die eigenen Gefühle, Gedanken und andere Wahrnehmungen des Körpers sowie Signale der Umwelt wahrzunehmen.

Beim Slacklinen ist das sehr ähnlich, es unterscheidet sich bloß in einem Punkt: weil es eine physische Aktivität ist, lenken wir den Großteil unserer Aufmerksamkeit auf unseren Körper. Wenn wir Achtsamkeit beim Balancieren auf der Slackline üben, werden wir uns der feinsten Bewegungen unseres Körpers bewusst, wir spüren unser Gravitationszentrum, setzen jeden Schritt bewusst und spüren sogar die unscheinbarste Vibration des Bandes und werden Reaktionsfreudiger. Dean Potter, amerikanischer Freikletterer, Alpinist, Base Jumper und Highliner, war einer der ersten, der das Slacklinen auf höherem Niveau betrieb. Auch er nannte das Beschriebene einen Zustand höheren Bewusstseins.

Wenn du dich jemals in einer lebensbedrohlichen Situation befunden hast, hat sich wahrscheinlich in deiner Wahrnehmung die schnelle Folge der Ereignisse verlangsamt und du wurdest dir auch der kleinsten Details bewusst (zum Beispiel das Brechen dünnsten Eises oder Details eines Verkehrsunfalls). Durch das Slacklinen und ihm ähnlicher Tätigkeiten können wir erlernen, wie wir diesen Zustand gesteigerten Bewusstseins in alltäglichen Situationen anwenden können.


Mit etwas Übung können wir uns unserer Gedanken bewusst werden, aber nur selten verstehen wie und warum sie entstehen. Es ist schwierig sich bewusst zu werden, warum bestimmte Gedanken immer wieder auftauchen und andere nicht. Die meisten von uns verbringen die meiste Zeit des Tages in einem halbbewussten Zustand. Wenn wir unseren Verstand schweifen lassen, sehen wir schnell wie viele Gedanken ihn kreuzen. Jedenfalls verbringen wir an einem durchschnittlichen Tag viel weniger Zeit bewusst, als wir annehmen.

Deshalb scheint es so, als ob der Verstand uns kontrolliert, anstatt umgekehrt. Wenn wir kein Wissen über die Funktionsweise des Verstandes haben, können wir in unserem, aber auch in dem Leben anderer, ernstzunehmendes Leid verursachen.

Buddha fasste diese Problematik vor 2500 Jahren so, dass er den menschlichen Verstand als Übeltäter identifizierte, der ihn zu Missetaten verleite und nicht seine Gegner oder Feinde. Unser Verstand kann uns dermaßen täuschen, dass wir unsere eignen Lügen zu glauben beginnen, oder uns und andere ständig vergleichen, was zu unnötigem Leid führt.

Durch das Praktizieren von Achtsamkeit und die damit steigende Kontrolle über unsere Gedanken, erhöhen wir auch die Wahrscheinlichkeit, aus freiem Willen zu handeln.

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Sich mit dem eigenen Verstand auseinanderzusetzen und ihn zur Ruhe zu bringen ist keine leichte Aufgabe, es ist aber sehr lohnend. Ein guter Verstand ist ein wertvolles Werkzeug! Achtsamkeit und das gesteigerte Bewusstsein zu üben, das damit einhergeht, bringt uns folgenden Nutzen:

  • Wir können ohne Ablenkung bzw. ohne zu bewerten beobachten. Dadurch wird man offen und einfühlsam.
  • Wir werden uns ungewünschten Verhaltens bewusst, das wir sonst womöglich nicht bemerkt hätten und können lernen ebendieses zu verändern
  • Positive Auswirkungen auf unsere Gesundheit
  • Unsere Synapsen entspannen sich und gelangen in den Ruhezustand
  • Wir lernen Dinge, auf die wir keinen Einfluss haben, ohne Frustration zu akzeptieren.
Kontrolle über unsere Ängste

Hast du dich jemals gefragt wie viele deiner Ängste dir etwas bringen und wie viele davon dich nur begrenzen und stressen?

Oder: Was hat Angst mit dem Slacklinen zu tun?

Der leichteste Ausweg ist es, einfach zu sagen, dass das Slacklinen nichts für dich ist und du kein Gefühl für das Gleichgewicht hast und du deshalb einfach nicht auf einem schmalen Band gehen willst. Hast du Angst vor dem Versagen, vor dem Machen neuer Erfahrungen oder verweigerst du einfach das Unbekannte? Selbst während deiner ersten Versuche auf der Slackline, wirst du wahrscheinlich feststellen, dass du ein paar unnötige Ängste verkörpert hast.

Auch wenn du es am Anfang schaffst diesen inneren Kämpfen auszuweichen, werden sie dich wahrscheinlich heimsuchen, sobald du auf höheren und weiter vom Boden entfernten Slacklines zu gehen beginnst. Das Highlinen ist die intensivste Form dieses Sports und zwingt uns all unsere Gedanken und Ängste in den Griff zu bekommen. Erst dann sind wir wirklich bereit auf einer Highline aufzustehen und loszugehen.

Auch wenn wir sicherstellen, dass die Highline korrekt und absolut sicher aufgebaut ist und kein verhängnisvoller Sturz möglich ist, sind wir zuerst (zumindest zu Beginn) instinktiv verängstigt. Wir müssen das Hindernis namens Ego überkommen, das uns davon abhalten will unsere sichere und gewohnte Position zu verlassen. Erst wenn wir es völlig hinter uns lassen wird es möglich, dass wir das Highlinen genießen und die ganze Länge zurücklegen können. Was uns danach erwartet, ist eine profunde Erfahrung, die uns auch in alltäglichen Situationen erlaubt unsere Grenzen zu überschreiten.


Das Ego (zusammengefasst aus The War of Art, von Steven Pressfield)

Das Ego ist jener Teil unserer Psyche, der an die materielle Existenz glaubt, sich mit den Angelegenheiten der echten Welt beschäftigt und sich ausschließlich zu den Prinzipien der materiellen Welt verhält. Das ist jedenfalls eine wichtige Funktion, ohne die wir nicht überleben könnten. Doch es gibt auch Welten abseits des materiellen und genau dort kommt das Ego in Bedrängnis. Unter anderem denkt das Ego, dass Selbsterhalt das höchste Prinzip des Lebens sei. Da unsere Existenz physisch ist, sind wir unzähligen Gefahren ausgesetzt. Geht es nach unserem Ego leben und agieren wir deshalb meist aus Motiven der Angst.


Mehr über die beschriebenen Fähigkeiten und spezifischen Übungen findest du in unserem Handbuch und natürlich bei unseren Workshops und Kursen.